ZVAB-Tapete

14. März 2015

Künftig wird dort, wo ZVAB draufsteht, kein ZVAB mehr drin sein.
    Die Geschichte der Verirrungen begann 1999 mit dem Verkauf an die mediantis AG, obgleich Alternativen wie stille Beteiligungen angeboten waren. 2011 wurde mindestens ein anderes Angebot von Investoren, das einen Verbleib in deutschem Besitz garantiert hätte, noch nicht einmal abgefragt. Nun also der Schlußstrich, das eigenständige Dasein der bislang größten deutschsprachigen Antiquariatsplattform wird im Oktober dieses Jahres beendet sein. Dank an die Kanadier und US-Amerikaner, die sich selbst dieses bescheidenen Marktsegmentes in monopolisierender Absicht widmen.
    Wer nun meint, der Zusammenschluß brächte Vorteile, dem seien diese Punkte an Herz gelegt: (Siehe diese Vorher-Nachher-Schau.)
    Einloggen: Wer bislang nicht bei ABE angeboten hat, dem nutzt die Neuerung garnichts, statt beim ZVAB meldet sich der Verkäufer eben bei ABE an.
    Alle Bestellungen online stornieren oder bestätigen zu müssen, das ist bürokratischer Unfug.
    Lieferscheine: Jeder Geschäftsmann sollte fähig sein, eine Rechnung, Quittung oder einen Lieferschein mit seinem Firmennamen und dazugehöriger Adresse auszustellen. Offensichtlich soll der Antiquar sowenig Eigenes wie nur möglich beisteuern. Grundsätzlich gehören meines Erachtens Rechnungstellung sowie Art der Begleichung in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Händlers, nicht irgendeiner Plattform.
    Pauschale Versandkosten nach Ländern bzw. Regionen sind unsäglich unpassend, höflich formuliert. Es ist ein Unterschied, ob ein kompletter, vielbändiger Brockhaus auf die Reise geht oder ein dünnes Taschenbuch. Programmierer, die Gewichte, Warenwerte und dazugehörige Porti nicht einpflegen können, gehören auf die Nachhilfebank.
    Lieferquote: warum nicht eine Blau-, Rot- oder Schwarzbuchquote? Quoten gehören doch eh zum modernen Gerechtigkeitsverständnis. Ansonsten zeigen diese schulmäßigen Sternchen nur an, wie häufig Bücher über andere Wege verkauft und nicht über die Schulmeisterplattform; nichts wird ausgesagt über Zuverlässigkeit der Beschreibungen, gute Erhaltungszustände – eben all das, was dem Bibliophilen wirklich von Interesse wäre. Warum auch, es handelt sich um Disziplinierungsquoten: Strammstehen, Herr Antiquar, sie haben über uns zu liefern.
    Bis zu fünf Bilder pro Buch, na super, das kann leicht übertroffen werden, und wird es bereits.
    ‚Mitgliedsantiquariate’, die bislang wenigstens untereinander provisionsfrei per ZVAB bestellen konnten, sollen nun auch abkassiert werden. Nebenher bemerkt: auf Porti wird bei ABE ebenfalls Provision erhoben.
    Man sieht: das meiste sind keine Verbesserungen, sondern eher Verschlechterungen. Insgesamt herrscht die Tendenz vor, Geld zu sparen: die Ausgaben für den Unterhalt der ZVAB-Datenbank mit angeschlossenen Mitgliedermenüs, Paketmarkenbestellungen u.s.w. Und die Sparsamkeit, wie üblich am falschen Ende, führt logischerweise zu Serviceeinschränkungen.
    Das Ganze geschah offenbar dermaßen gehetzt, daß noch nicht einmal sicher zu sein scheint, ob und wie das Angebot von Paketmarken aufrechtzuerhalten wäre. Üblicherweise würde bei derart gravierenden Änderungen dem Kunden, i.e. dem ‚Mitgliedsantiquariat’, ein fertiges, geschlossenes Konzept vorgelegt, was unter anderem die automatische Übernahme der Logins und dergleichen einschlösse. Aber hier wird nun versucht, diese Umstellung mit so wenig plattformeigener Anstrengung wie möglich in die Wege zu leiten.
    Inwieweit diese plötzlichen Veränderungen in Zusammenhang mit dem Rücktritt von Hannes Blum als ABE-CEO stehen, ist leider nicht zu ermitteln.
   
    Den Amerikanern scheint ein grundlegendes Verständnis des deutschen Antiquariatsmarktes zu fehlen: Durch die Sprache eh vom Rest der Amazon-Abe-Landschaft geschieden und wenig kompatibel, soll es nun eine große Eintopfschüssel werden. Wollte ein Fremdsprachiger, gleich ob Chinese oder Brasilianer, ein deutsches Buch bestellen, wußte er, wo er zu suchen hatte. Und wer als Antiquar zahlreiche englischsprachige Bücher anbot, stellte sowieso seine Bücher auf einer com-Domain oder einer dazu geeigneten Plattform ein. Der Rest wie Latein, Griechisch, Sanskrit unterliegt eh anderen Marktregeln.
   
    Ein weiterer wichtiger, ja grundsätzlicher Punkt ist der Erhalt von Vielfalt: es muß ebenso, wie es charakterlich, erfahrungs- und bildungsmäßig völlig unterschiedliche Gebrauchtbuchhändler und Antiquare gibt, auch Angebotseiten und Plattformen für mindestens ebenso unterschiedliche Kunden geben. Monopolisierungen ersticken die Vielfalt in Eintönigkeit: alle Bücher, demselben mäßigen Design unterworfen, ähneln sich plötzlich. Eine Darstellungsweise, die für moderne Gebrauchsbücher angemessen sein mag, ist es noch lange nicht für Handschriften und alte Drucke, aber dies ist bislang ein Nachteil aller Plattformen.
   
    Last not least: Jeder Kunde, der über eine marktdominierende Plattform bestellt, degradiert den Antiquar zu einem beliebigen Zulieferer und sich selbst zu einem beliebigen Abnehmer. Dabei war das Antiquariat früher lebendiger, in der schönen, aufregenden Zeit der Kataloge und der bisweilen harmonischen, manchmal von kleinen Störungen wie bereits verkauften Desiderata gestörten Beziehung zwischen Buchsucher und -anbieter: amor librorum nos unit – und keine wie auch immer benannte, sich zwischendrängende Datenbank buchfremder Unternehmer.

 

Das Börsenblatt hat zum Thema eine Umfrage mit ziemlich einhelligem Ergebnis durchgeführt.

Eine Antwort to “ZVAB-Tapete”

  1. Jan Krimben Says:

    Die Genossenschaft sollte Antbo übernehmen und dort alle Antiquare ohne Grundgebühren einstellen lassen, die den Qualitätsansprüchen von Antiquariat.de erstmal nicht genügen. – Ein zweites Standbein ist immer gut. 😉


Hinterlasse einen Kommentar